Es klopft an der Tür. Ante steht davor. Mittagessen gibt es heute um 12, vielleicht um 1, ob ich kommen möchte. Es gebe Muscheln. Die mögen seine Frau und seine drei Töchter überhaupt nicht, aber er würde sie trotzdem gerne kochen. Schon morgens war er am Kai und schwatzte einem der Fischer 2 Kilo Muscheln ab. Frisch aus dem Meer, so schmecken sie ja am besten. Zwei Kilo Muscheln für zwei Personen? Ich seufze innerlich. Aber wie könnte ich einem Berg von Mann, behaart wie ein Wolf, tätowierte Oberarme und, so erzählte er es gleich bei unser ersten Begegnung, begeisterter Jäger, absagen? Ich sage also zu, trinke meinen letzten Schluck Kaffee, denn im Gegensatz zu den Nachbarn habe ich bis 10 Uhr geschlafen. Die Nachbarin, so wird sie mir nachher erzählen, sei bereits seit 7 auf den Beinen, die Kinder möchten ja ihr Frühstück und so ein Mittagessen wolle eben auch vorbereitet werden. Sie habe alles gekocht, nur die Muscheln nicht. Wenn Ante sie haben möchte, so müsse er sie auch zubereiten. Und so stehe ich, zusammen mit dem Mittagsgeläut der Kirchenglocken, um 12 Uhr am Tisch meiner Nachbarn und hoffe nicht der einzige Gast zu sein. Denn der Tisch, er ächzt und stöhnt unter seiner Last, ist überhäuft mit Schüsseln, Pfannen und Töpfen. Berge von Ćevapi sehe ich da, für die Kinder, die seien doch recht wählerisch. Berge von gegrilltem grünen Paprika in einer herrlich öligen Soße, voll von dicken Knoblauchzehen, die seien gut für das Herz. Schüsseln voller frittierter Sardinen, die seien besser als Chips, die müsse ich unbedingt probieren. In einem riesigen Topf schwimmen dünne Nudeln in einer dünnen Brühe, auch für die Kinder, das sei neben den Hackfleischröllchen das einzige, was sie noch äßen. Und das hier, das würde bei der Großen noch gehen. Sie reicht mir eine Schüssel voll von etwas, das mir bekannt vorkommt. Aber Shakshuka in einem traditionellen kroatischen Haushalt? No, no! Lacht die Hausherrin ungläubig. It’s Sataraš! It’s slawonian! Wie ich das denn nicht kennen könne! Ihre Schwiegermutter pochiere immer noch ein paar Eier in der dicken Soße, das würde es noch besser machen. Aber dafür sei es heute zu heiß und außerdem müsse ich ja vor allem Muscheln essen. Ich seufze. Wie konnte ich die nur vergessen. Wir nehmen Platz, die große Familie und ich, die sich genau so Fehl am Platz fühlt, wie die Muscheln, die zwischen den vielen Köstlichkeiten für Groß und Klein nur für mich und den Herrn im Hause gekocht wurden. Und trotzdem muss ich, bevor ich mich ins Eiweißkoma esse, ein paar Löffel vom Sataraš probieren, diesem herrlich dicken Eintopf aus Zwiebeln, Paprika und Tomaten. You like it? Natürlich, sage ich und denke mir, dass die Muscheln ja eine Grundlage brauchen, in der sie nachher schwimmen können. Und greife nochmal zu. Und nochmal, und nochmal. Für mich, soviel steht fest, hätte es nichts anderes gebraucht um mich glücklich zu machen. Die Muscheln, das ist Ehrensache, finden zu späterer Zeit ihren Weg natürlich auf meinen Teller. Auch wenn Ante den Großteil schon selber aufgegessen hat. Für ihn, und das versichert er mir, hätte es nämlich auch nichts anderes gebraucht um glücklich zu sein. Den Bauch voll sonntäglicher Zufriedenheit seufze ich, dass das hier alles ja wie an Weihnachten sei. No, no! Lachen alle. Christmas, und da sind sie sich einig, is much better!
Für 4 Personen als Hauptspeise oder für 4 250-Gramm-Gläser zum Einkochen braucht ihr:
- 2 große rote Zwiebeln, grob gewürfelt
- 2-3 Knoblauchzehen, fein gehackt
- 500 g Paprika, die Kerne entfernt und grob gewürfelt
- 400 g Tomaten, gehäutet, die Kerne entfernt und grob gewürfelt
- 2 Zweige Thymian
- 2 – 3 EL Zitronensaft
- Abrieb 1/2 Zitrone
- Olivenöl, Salz und schwarzer Pfeffer
Erhitzt Olivenöl in einem Topf und dünstet die Zwiebeln auf niedrigster Hitze darin weich. Die Zwiebeln dürfen keine Röstaromen annehmen! Fügt dann die Paprikawürfel und den Knoblauch hinzu und dünstet alles für weitere 15 Minuten an. Gebt dann die Tomaten, den Thymian, 1 TL Salz und eine großzügige Prise schwarzen Pfeffers hinzu und lasst alles für etwa 30 Minuten köcheln. Nehmt nach 15 Minuten den Deckel vom Topf, damit die Flüssigkeit verdampfen kann und eine leichte Bindung entsteht. Die Paprikaschoten sollen am Ende noch nicht Auseinanderfallen, die Tomaten hingegen sollten verkocht sein. Schmeckt den Eintopf mit Zitronensaft und -abrieb, sowie mit Salz und Pfeffer ab.
Solltet ihr das Sataraš einkochen wollen, befüllt die sauberen und sterilen Gläser damit und weckt sie ein. Das Sterilisieren von Gläsern geht am besten, wenn Eure Spülmaschine das passende Programm dafür hat, oder wenn ihr – viel einfacher – die Gläser mit kochendem Wasser ausspült. Gebt dabei aber auf Eure Hände acht und verbrennt sie Euch nicht am heißen Wasser.
Zum Sataraš passen die oben schon erwähnten pochierten Eier, Reis, Polenta oder einfach nur Fladenbrot.
Ich weiß, dass ich mit der Veröffentlichung dieses Rezepts etwas spät im Jahr bin. Die Tomatenzeit ist (eigentlich / schon fast) vorbei, die Paprikazeit eh, aber wenn ihr Glück habt, findet ihr an vereinzelten Marktständen die Reste der Sommerernte.
Habt eine schöne Woche!
Julia
Hallo liebe Julia,
bei deiner schönen Geschichte habe ich so schmunzeln müssen. Und habe mich direkt zu Ante gewünscht. Mehr mittendrin geht wohl kaum. Klingt nach echtem (!) Wohlfühlessen!
Liebe Grüße,
Eva
Liebe Eva, das stimmt! Mehr Mittendrin geht wirklich nicht, dieser Tag zählt zu den wunderbarsten, die ich in den letzten Monaten erlebt habe. Von wildfremden Menschen in die eigene Familie aufgenommen zu werden, ist schon sehr besonders.
Liebe Grüße!
Julia
Wir werden beim Marktdealer unseres Vertrauen am Samstag mal schauen, ob er noch ein paar letzte Tomaten und Paprika hat. Ansonsten ist das Rezept auf jeden Fall für den nächsten Sommer gespeichert, vielleicht dann sogar mit den eigenen Zutaten aus dem Garten.
Liebste Grüße!
Eva und Philipp
Ihr Lieben, irgendwie ist mir der nicht vorhandene Redaktionsplan durcheinander gekommen, deshalb drück ich Euch die Daumen, damit ihr noch ein paar Tomaten und Paprika findet. Und dann spricht da ja nichts dagegen, Sataraš nächstes Jahr nochmal zuzubereiten ;)
[…] habe ich die Schränke schon wieder voll von Gläsern mit Tomatensoße, Kirschtomaten, Gurken und Sataraš. Aber all diese Gläser erfordern noch zu viele Handgriffen um an einem faulen Abend den Magen […]