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Farbe bekennen.

Ich habe ein Interview gelesen. Mit Peter Berling. Über die Liebe, das Große und Ganze. Dass er sich eine Elefantenhaut zugelegt habe, mit der er durch sein langes, bewegtes Leben gestapft sei, einer Haut, die ihn resistent machte gegen ein Übermaß an Empathie. Es war ein gutes Interview, eines, bei dem ich oft und zustimmend nickte, denn ich kann verstehen, wenn man Abstand zwischen sich und andere bringt, sich um ein gewisses Maß an Eigenschutz und Seelenheil bemüht. Aus welchem Gründen auch immer. Doch dann kam der nächste Post, der nächste Klick und da war es: Das blanke Entsetzen darüber, was heute wieder denkbar ist. Was wieder hörbar ist. Was nicht mehr als irre Idee ausgelacht wird. Nachrichten, die mir vor Wut die Tränen in die Augen schießen lassen. Dabei sei sie doch unantastbar, die Würde des Menschen. Nur halt nicht mehr 2015, mitten in Deutschland. Hier wird „besorgten Bürgern“ Raum zugestanden, den andere, nämlich jene die aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrer Sexualität, ihres persönlichen Werdegangs oder wegen Krieg, Verfolgung und Perspektivlosigkeit Schutz und Obhut brauchen, dringend benötigen würden. Und deshalb möchte ich es nochmal sagen um keinen Zweifel daran zu lassen: dieser Blog ist bunt. Meine Gedanken sind bunt, mein Leben ist bunt, meine Stadt ist bunt und jeder, der das genauso sieht, ist an meinem (virtuellen) Esstisch herzlich willkommen. Dass jüdisches Leben in Deutschland nicht uneingeschränkt möglich ist, dass Flüchtlingsunterkünfte brennen, dass faschistisches Gedankengut wieder salonfähig ist, ist beschämend. Ja, ich glaube an die Unantastbarkeit und die Würde eines jeden einzelnen Menschen und dass uns allen das gleiche Recht auf Freiheit gegeben wurde. Und ja, ich finde, dass wir laut werden, dass wir Zeichen setzen, dass wir Widerstand leisten müssen. Vielleicht würde es schon helfen, wenn man sich seine Empathie nicht ganz aberziehen würde. Auf einen Versuch käme es an.

Bild-Credit: The Anchor via unsplash.com

  1. Da hast du Recht! Erschreckend was da mit unserer Gesellschaft passiert. Es macht mich fassungslos und traurig.. :(

    Liebe Grüße, Ela

    • Liebe Ela, ich glaube aber, dass da viele sind, die das alles anders sehen, eine eher ruhige Mehrheit. Und wenn wir Glück haben, dann sind diese vielen Menschen nicht mehr lange still. Ich gebe die Hoffnung nicht so schnell auf :)
      Liebe Grüße!
      Julia

  2. Papa Schulz

    „Besorgte Bürger“, „Asylgegner“… – ich könnte kotzen bei diesen Verharmlosungen – bitte entschuldige diese Ausdrucksweise. Ich nehme sehr gerne Platz an Deinem bunten Esstisch!

    • Lieber Papa Schulz, Du und Deine Lieben sind hier immer herzlich willkommen <3

  3. Danke für diese Worte. Eine gewisse Elefantenhaut braucht man sicherlich, aber es gibt Grenzen, ab denen es nicht mehr Selbstschutz ist sondern zur Ignoranz wird. Es ist wirklich traurig und erschreckend :( Zum Glück regen sich wenigstens so viele Gegenstimmen…

    Liebe Grüße,
    Carla

    • Das ist sehr wahr, Carla. Und wenn man nach dem Grundsatz „Was Du nicht willst, das man Dir tu“ leben würden, wären die vielen Gegenstimmen vielleicht gar nicht notwendig, Elefant hin, Dickhäuter her…
      Liebe Grüße!
      Julia

  4. Sehr schön geschrieben. Manchmal ist es echt hart ohne Elefantenhaut, gerade in diesem Sommer.

  5. Hallo Julia,
    das sind kluge Worte und weil ich die auch bei Deinen anderen Artikeln schätze, hab ich Dich zum Liebster nominiert. https://auxkvisit.wordpress.com/2015/08/30/liebster-award/
    Ich weiß nicht, ob Du überhaupt genügend wenige Follower hast ;) Aber es würde mich freuen, wenn Du mitmachst!
    Zum Thema: Ich konnte das Interview jetzt leider nicht ganz lesen, das geht wohl nur mit Abo? Bei dem Begriff „Elefantenhaut“ bin ich doch zusammengezuckt, weil ich nicht denke, dass das die Lösung ist, wenn es im Sinne von „nichts an sich rankommen lassen“ gemeint ist. So weh es tut, wir müssen uns dem stellen. Wenn jetzt jeder seine Elefantenhaut anzöge, lebten wir irgendwann alle aneinander vorbei anstatt miteinander. Aber vielleicht verstehe ich auch gerade etwas falsch.

    • Liebe Miriam,
      ja, das Interview ist nur mit dem Abo oder in der Printausgabe ganz lesbar. Und ich glaube wirklich, dass Du mich da falsch verstanden hast. Ich schreibe, dass ich gut verstehen kann, wenn man nicht an jedem Einzelschicksal Anteil nehmen möchte, aus welchen Gründen auch immer. Dass aber die Situation, die gerade um uns herum passiert entsetzlich ist, dass man sich ihr stellen muss, dass man Zeichen setzen und Widerstand leisten muss, das hoffe ich doch sehr, dass das aus meinem Post herauszulesen ist.
      Viele Grüße
      Julia

  6. … dann meinen wir eh das gleiche :) Sorry, wollte keine Verwirrung stiften.

  7. Ein tolles Statement, liebe Julia. Glücklicherweise zeigen diese Wochen, dass gleichzeitig immer mehr Menschen empathisch sind und die willkommen heißen, die uns (nicht nur im Moment) dringend brauchen. Das macht nichts ungeschehen, aber es zeigt, dass es immer mehr Gegenstimmen gibt. Danke für diesen Beitrag und lieben Gruß!

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